Zeitungsbericht Ludwigsburger Kreiszeitung 14.04.2009


Zur Belohnung gibt’s 35 Kilo ungeputzten Pansen

Ross und Reiter und vor allem die Hundemeute sind heiß. Beim Reit-, Fahr- und Zuchtverein Nussdorf
haben sich 40 Pferdefreunde nebst Anhang zur Schleppjagd getroffen. Einer alten Form der Hatz, die in
modernen Zeiten aber längst nicht mehr dem Wild gilt.

„Es ist heute schon fast zu schön“, kommentiert ein Reiter das Wetter am österlichen Samstag. Die Pferde stehen noch
im Winterfell und könnten bei zu großer Anstrengung überhitzen. Deshalb wird die Devise ausgegeben, es „etwas ruhiger
angehen“ zu lassen. Denn diese Schleppjagd ist anstrengend: 19 Kilometer Strecke mit 15 Sprüngen und zwei Wasser-
hindernissen für die Fortgeschrittenen. Imanuel Rapp hat die Strecke „naturnah ausstaffiert“. Bis zu 80 Zentimeter sind
die im Weg liegenden Baumstämme hoch. Die „Pfützen“ sind fast sechs Meter breit und 40 Zentimeter tief.

Rapp reitet mit Andrea Wiehn voran. Die beiden sind die „Füchse“, die die Fährte legen. „Früher wurde eine Hirschkeule
hinterhergeschleift oder eine Spur aus Heringslake gezogen“, erklärt er. Aber die Hunde der Hardt- Meute, alles französische
Hirschhunde, sind etwas Besonderes: Ihnen genügt das „Trittsiegel“ der Pferde. Sie folgen der Hufspur. Einen halben Kilometer
haben sie Vorsprung, dann lässt Gerd M. Klapschus – sogenannter Master of Hounds – die ungeduldigen „Tricolores“ von
der Leine. Mit lautem Gebell und unbändiger Kraft preschen 30 Hunde los, Ohren und Zungen flattern im Wind.
Die Jagdgesellschaft hat trotz Galopp Mühe hinterher zu kommen.
„Ich bin das Alpha-Tier mit Hut“, scherzt Klapschus. Und die Hunde gehorchen aufs Wort. Den Jagdtrieb haben sie im
Instinkt, und den Gehorsam lernen sie im Rudel von den Älteren. „Das geht ganz automatisch.“ Nur Konditionstraining sei
wichtig. Bis zu 70 Zentimeter Schulterhöhe erreichen die Hirschhunde, werden an die 50 Stundenkilometer schnell. „Jeder
Narr sucht sich seine passende Mütze selber aus“, erklärt Klapschus die Liebhaberei. 20 solcher Meuten gibt es in Deutschland.

Sieben Schleppen werden geritten. Das heißt, es gibt 6-mal Rast. „Pferde und Hunde müssen getränkt werden. Und auch die
Reiter brauchen eine Pause zur Erholung und Stärkung“, sagt Raimund Wöhr, der die Schleppjagd ausrichtet. Er möchte den
Ostersamstag gerne als festen Termin, den „Nussdorfer Jagdtag“ im Reiterkalender etablieren. „Es ist immer eine neue
Herausforderung“, erklärt Bernd Etter. In freier Natur müsse das Pferd im Reiterfeld in allen Situationen und bei auch
großer Geschwindigkeit unter Kontrolle gehalten werden. Seit 1971 nimmt der 61-jährige Brackenheimer an Schleppjagden teil.
„Es ist eine Leidenschaft.“ Am Ende sind die Hirschhunde die Sieger. Als Belohnung gibt’s 35 Kilo rohen, ungeputzten
Pansen. Für menschliche Nasen eine Beleidigung, für die Tiere offensichtlich eine Delikatesse. Wie wild stürzen sie sich auf das
Fleisch und hauen es in vier Minuten ratzfatz weg.

Thomas Faulhaber

 

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